Zur Geschichte unserer Bruderschaft

 

 

 

Die ersten 100 Jahre

 

Die St. Gereon-Schützenbruderschaft Vettweiß-Kettenheim e.V. kann in diesem Jahre auf eine 150jährige Geschichte zurückblicken. Sie ist nicht nur der älteste noch bestehende Verein unseres Dorfes, sondern auch die zweitälteste Bruderschaft in der alten Rheinprovinz, die den Namen des heiligen Gereon, des Pfarrpatrons unserer Kirchengemeinde, führt. So bestanden im Jahre 1930 in der Rheinprovinz 2.022 Schützenbruder-schaften bzw. Schützenvereine. Hiervon hatten allein 425 den heiligen Sebastianus als Bruderschaftspatron, während nur 4 Gesellschaften den Namen des heiligen Gereon trugen. Von diesen 4 Gesellschaften ist unsere Bruderschaft die zweitälteste.

 

Einhundertfünzig Jahre Vereins-geschichte sind sicherlich der gebotene Anlaß, die wesentlichen Daten unserer Bruderschaft für die noch lebenden Schützenbrüder, für unsere Freunde und Gönner sowie für die kommenden Generationen zu dokumentieren und im Zusammenhang mit der Geschichte unseres Dorfes und unserer Heimat zu betrachten.

 

Die Erforschung der Geschichte unserer Bruderschaft gestaltete sich insofern schwierig, als vereinseigene Unterlagen, mit Ausnahme eines Kassenbuches aus dem Jahre 1905, nicht mehr vorhanden sind. Insoweit waren die Verfasser darauf angewiesen, in erster Linie Annoncen aus alten Zeitungen, themenbezogene Unterlagen mehrerer Archive sowie die nur spärlich vorhandene einschlägige Literatur hinzuzuziehen.

 

Obwohl die zur Verfügung stehenden Unterlagen sehr lückenhaft sind, ist es gelungen, einen recht informativen Überblick über die Geschichte unserer Bruderschaft zu erarbeiten. Ein Anspruch auf Vollständigkeit kann nicht erhoben werden.

 

Die Geschichte der Bruderschaft ist von Höhen und Tiefen geprägt. Die Höhen sehen wir in erster Linie in einem ausgeprägten Vereinsleben mit vielen erlebnisreichen und harmonisch verlaufenen Veranstaltungen, sowie besonderen Aktivitäten im Sinne unseres Bruderschaftsgedankens. Die Tiefen liegen vornehmlich darin, daß die Tätigkeit der Bruderschaft durch allgemeine wirtschaftliche Notzeiten beeinträchtigt wurde oder durch Kriegsereignisse völlig zum Erliegen kam. Insoweit ist die Geschichte unserer Bruderschaft nicht von dem Geschehen in unserem Lande zu trennen.

 

Im Dürener Anzeiger und Unterhaltungsblatt vom 13. Oktober 1849 befindet sich der älteste Nachweis über unsere Bruderschaft. In dieser Zeitung lädt der Vorstand der „St. Gereons-Schützen-Bruderschaft“ im Rahmen der Feier des Pfarrpatrons St. Gereon sowie der Kirmes zum Vogelschuß ein. Danach ist davon auszugehen, daß die Bruderschaft in diesem Jahre gegründet wurde und zum ersten Male auch öffentlich aufgetreten ist. Ein eigenes Schützenfest im heutigen Sinne wurde nicht gefeiert. Man hängte sich zweckmäßigerweise an das damals führende Dorffest, nämlich der Kirmes in Verbindung mit dem Fest unseres Pfarrpatrons, an.

 

Die Motive für die Gründung der Bruderschaft liegen im Dunkeln. Inwieweit die von Frankreich ausgehenden und in erster Linie vom Bürgertum getragenen revolutionären Ereignisse der Jahre 1848/49 mit der durchaus berechtigten Forderung nach mehr demokratischer Freiheit, unter anderem auch nach größerer Vereinsfreiheit sowie nach Volksbewaffnung, für die Gründung unserer Bruderschaft ausschlaggebend waren, bleibt offen.

Festzuhalten bleibt jedoch, daß bei der Schützenbruderschaft von Anfang an eine sehr enge Verbindung zur Pfarre St. Gereon bestand und das Miteinander in der Dorfbevölkerung, die Pflege der Geselligkeit sowie

das Schießen einen hohen Stellenwert besaßen.

 

 

Das erste eigentliche Schützenfest mit Festzug und musikalischer Begleitung wurde offensichtlich erst am 6. Juli des Jahres 1851 gefeiert. Auch in den Folgejahren feierte man das Schützenfest in der Regel Ende Juni, Anfang Juli. Dieser Termin lag insofern sehr günstig, als die Ernte noch nicht begonnen hatte und meistens gutes Wetter war.

 

Ein Zelt wurde zu damaligen Zeit noch nicht aufgestellt; die Tanzveran-staltungen fanden in mehreren Sälen der örtlichen Gastwirtschaften statt. Besonderer Wert wurde jedoch darauf gelegt, daß während des Schießens ein „wohlbesetztes Musikcorps“ spielte und für „Bequemlichkeit und sonstige Erholungen“ bestens gesorgt war.

 

Die Schützenbruderschaft als damals noch junger Verein maß der Wahrung ihrer Eigenständigkeit von Anfang an große Bedeutung bei. So lud anläßlich der Kirmes vom 15. Oktober 1854 der Vettweißer Junggesellen-Verein an den drei Kirmestagen zum „Schützen-Ball“ ein. Dies veranlaßte die Schützen-bruderschaft, im Dürener Anzeiger vom 14. Oktober 1854 eine Erklärung abzugeben, daß der Vorstand von dem „angekündigten Schützenballe nichts weiß“.

 

Verbindungen zu den Schützen-bruderschaften der Nachbarorte, aber auch zu einzelnen Schützen, bestanden schon sehr früh. Wir finden Hinweise, daß bereits im Jahre 1862 die fremden Schützen im Dorf empfangen wurden und man gemeinam zum Schießplatz zog. Dabei war es durchaus üblich und allgemein zulässig, daß die befreun-deten Bruderschaften sowie die Einzelschützen ihre eigenen „Donnerbüchsen“ mitbrachten. Erst-mals fanden auch in diesem Jahre während des Schießens eine „Tanzbelustigung und andere Volksspiele“ statt. Zu den Volksspielen, die sich offensichtlich regen Zuspruchs erfreuten, gehörte unter anderem das Turnen. So wurde bereits im Jahre 1864 der männlichen Jugend auf dem Schießplatze „Gelegenheit im Turn-Üben“ gegeben. Für die weibliche Jugend war das Turnen zur damaligen Zeit offensichtlich noch unschicklich.

 

Ein Schützenfest ohne gute Musik war schon damals nicht denkbar. Hierzu leisteten sowohl die örtlichen Musikvereinigungen als auch fremde Musikkapellen jeweils ihren Beitrag. Das Fest wurde am Vorabend durch Böllersalven und einen Zapfenstreich angekündigt. Der Festtag selbst begann bereits um 5:00 Uhr mit dem musikalischen Wecken, damals noch Reveille genannt. Gegen 11:00 Uhr fand auf dem Marktplatz eine „Wachparade“ statt. An dem Festzuge nahm neben den einheimischen Musikkapellen sehr oft auch „tüchtige Militärmusik“ teil.

 

Das Schützenfest war zur damaligen Zeit, man hatte weder ein Zelt auf dem Schießplatze noch eine Schützenhalle zur Verfügung, in starkem Maße vom Wetter abhängig. Im Jahre 1865 muß es am Sonntag, dem 2. Juli so gewittert und gestürmt haben, daß man das Fest kurzentschlossen um eine Woche verschob. In der Anzeige vom 12.07.1865 schreibt der Vorstand: „Wir geben uns der Hoffnung hin, daß uns durch die Verlegung des Festes kein uns zugedachter Besuch entzogen wird“.

 

Das Jahr 1866 war das Jahr des preußisch-österreichischen Krieges. Unsere Heimat blieb zwar vor unmittelbaren Kriegsschäden verschont, jedoch mußten auch viele Mitbürger als Soldaten und Reservisten in der preußischen Armee gegen Österreich zu Felde ziehen. Die Sorge und Angst der Dorfbewohner um ihre in der Fremde kämpfenden Männer und Söhne war groß und hatte Vorrang vor allem anderen.

 

So ist es verständlich, daß im Kriegsjahr 1866 in Vettweiß kein Schützenfest stattgefunden hat. Mit dem Sieg der preußischen Armee am 3. Juli 1866 bei Königsgrätz (Sadowa) über die Österreicher war die Entscheidung, die zum Frieden von Prag am 23. August 1866 führte, gefallen. Wie aus der Verlustliste des Feldzuges 1866 für den Kreis Düren zu ersehen ist, hatte Vettweiß keinen Gefallenen zu beklagen, lediglich zwei Verwundete. Der Kürassier Heinrich Erken vom Kürassier-Regiment 8 wurde am 03.07.1866 bei Königsgrätz schwer verwundet (Huftritt ins Gesicht beim Sturz mit dem Pferd). Ferner wurde Joseph Strack aus Kettenheim, Füsilier im Kaiser Alexander Garde-Grenadier-Regiment am 3. Juli 1866 in einem Gefecht bei Lippa leicht verwundet (Streifschuß durch die Lippe).

 

Am 4. und 5. Juli 1869 feierte die Schützenbruderschaft „in der bekannten festlichen Weise“ ihr 20. Schützenfest. Hierdurch wird eindeutig belegt, daß das Gründungsjahr 1849 für die Bruderschaft ein sicheres Datum ist.

 

Die Zeit des Friedens sollte jedoch nur sehr kurz dauern, denn am 19. Juli 1870 erklärte Frankreich Preußen den Krieg. In der Schlacht bei Sedan am 1. September 1870 wurde Frankreich entscheidend geschlagen. Dies führte letztlich zur Eroberung von Paris und zur Gründung des deutschen Kaiserreiches mit der Kaiserproklamation von Wilhelm I. im Schloß von Versailles am 18. Januar 1871.

 

Aus dem Sterberegister der damaligen Bürgermeisterei Froitzheim ergibt sich, daß unser Dorf 1870/71 keinen Kriegstoten zu beklagen hatte. Ein Schützenfest hat in den Kriegsjahren 1870/71 nicht stattgefunden.

 

Am Sonntag, den 23. Juli 1871 arrangierte jedoch ein eigens gebildetes Festkommittee eine „Große Friedens-feier und Bewillkommnung unserer heimgekehrten Krieger der Pfarrge-meinde Vettweiß und Kettenheim“, wobei „die gefeierten Krieger auf’s schönste bewirthet“ wurden. Vielleicht ist dieses Festkommitee als „geistiger Vorkämpfer“ der im Jahre 1960 gegründeten Interessengemeinschaft „Die Vereine zu Vettweiß“ anzusehen?

 

Die Zeit nach dem Jahre 1871 bis zum Jahre 1914 war insgesamt gesehen eine Zeit zum Feiern, eine friedvolle Zeit. Das rheinische Schützenwesen und auch unsere Bruderschaft erlebten eine große Blüte. Das Schützenfest entwickelte sich mehr und mehr zu einem tragenden Fest unseres Dorfes. Es war der Anziehungspunkt für viele Besucher aus nah und fern.

 

Der von Bismarck im Jahre 1871 eingeleitete Kulturkampf mit dem Ziel, den Einfluß der katholischen Kirche zurückzudrängen, führte vielfach zum Ausfallen der Schützenfeste. Für unsere Bruderschaft blieb er offensichtlich jedoch ohne Bedeutung, obwohl als unmittelbare Folge des Kulturkampfes die Pfarre vom 17.11.1884 bis zum 10.11.1887 verwaist war. Ab diesem Datum war ein Pfarrverweser für die Pfarrgemeinde St. Gereon zuständig.

 

In den Jahren von 1872 bis zum Jahre 1914 sind uns folgende mehr oder weniger bemerkenswerte Daten aus dem Leben unserer Bruderschaft bekannt.

 

Das Schützenfest des Jahres 1872 erhielt eine besondere Note dadurch, daß die Musik von der Kapelle des hohenzollern’schen Füsilier-Regiments Nr. 40, welches bis zum 31. März 1910 in Aachen stationiert war, ausgeführt wurde, was sicherlich die Besucherzahl beträchtlich erhöhte.

 

Besonderer Wert wurde bei allen Schützenfesten auf ein festlich geschmücktes Dorf gelegt. Hierzu trugen sämtliche Dorfbewohner bei. Dabei wurden nicht nur die Häuser mit Fahnen dekoriert, sondern vielfach auch junge Birken gesteckt, die im nahen Wald reichlich vorhanden waren.

 

Im übrigen läßt sich auch feststellen, daß die Besucher des Schützenfestes sehr tanzfreudig waren. So fanden an beiden Schützenfesttagen während des Schießens „Harmonie und Tanzbelustigung in dem festlich dekorierten Schützenzelte“ auf dem Schießplatz statt. Abends traf man sich bei den Gastwirten Valder und Hülden zum Ball. Die Tanzfreude der Schützenbrüder zeigte sich nicht nur am Schützenfest, sondern auch zur Kirmes. Vor dem ersten Weltkrieg hielt die Bruderschaft jeweils am Kirmesdienstag einen „Geschlossenen Festball“ im Saale Hubert Ferfer ab.

 

Wie bei allen Dorffesten spielte auch bei den Schützenfesten das Geld eine besondere Rolle. Es war nun einmal erforderlich um die zwangsläufig anfallenden Kosten zu decken. Es liegt es auf der Hand, daß zwischen der Bruderschaft und den örtlichen Gastwirten ein gesundes Wetteifern um die Besucher stattfand. So lud der Gastwirt Jos. Valder bei Gelegenheit des Schützenfestes am 3. und 4. Juli 1881 zu einem „Grossen Concert, ausgeführt von der Gesellschaft ‘Thalia’ aus Düsseldorf, unter Mitwirkung zweier berühmter Komiker, ergebenst“ ein.

 

Bis zum Jahre 1884 wurde das Schützenfest zu Beginn des Monats Juli gefeiert; erstmals im Jahre 1885 feierte man zu Pfingsten. Da der Pfingstsonntag als einer der höchsten kirchlichen Feiertage ausschließlich der Kirche vorbehalten war, begann man das eigentliche Schützenfest erst am Pfingstmontag. Dies wurde von sämtlichen Schützenbruderschaften des Kreises Düren, die zu Pfingsten Schützenfest feierten, so gehandhabt.

 

Bei den meisten Schützenfesten spielten die Vettweißer Gastwirte eine bedeutende Rolle. Sie hatten, insbesondere um die Jahrhundertwende, großen Anteil am guten Gelingen der Schützenfeste. Durch eigene Anzeigen warben sie um zahlreiche Festbesucher. Die Schützen- und Königsbälle fanden in der Regel in den Räumlichkeiten der Gastwirte H. Hülden, W. Christoffels, Hub. Ferfer und E. Schabel statt.

 

Die Wirtschaft auf dem Festplatz (de Zapp) wurde den einheimischen Gastwirten übertragen. Sie hatten für gute Speisen und Getränke, für „ff helle und dunkle Biere à Glas 10 Pfg und reine Weine“ Sorge zu tragen.

 

Elektrisches Licht war um die Jahrhundertwende noch keine Selbstverständlichkeit. So warb der Gastwirt Hubert Ferfer zu Pfingsten des Jahres 1906 in seinem „neu dekorierten mit elektrischem Licht versehenen Dreikaisersaale“ - heute Haus Falkenberg, Gereonstraße - für mehrere Tanzveranstaltungen bei 50 Pfg. Eintritt und freiem Tanzen. Gleichzeitig empfahl er seine „gute Küche und schöne Pfirsichbowle“, zur damaligen Zeit offenbar noch ein exklusives Getränk.

 

Die Bruderschaft als solche betrachtete sich nicht als exklusiver Verein. Sie stand allen männlichen Bürgern offen. Ihre Mitgliederzahl, gemessen an der damaligen Einwohnerzahl, war sehr hoch. Wenn man bedenkt, daß die Bruderschaft im Jahre 1912 bereits 235 Mitglieder hatte, kann man unterstellen, daß fast in jedem Haus ein Schützenbruder wohnte.

 

Die lange Reihe der großen Schützenfeste sollte mit dem Schützenfest des Jahres 1914 jäh enden. Im August begann der 1. Weltkrieg. Damit fing ein jahrelanger Krieg an, der an technischem Aufwand, der Anzahl der Opfer wie dem Ausmaß der Zerstörungen alle bisherigen historischen Ereignisse in den Schatten stellte. Es folgten vier lange Kriegsjahre, die mit dem Abschluß eines Waffenstillstandes am 11. November 1918 im Wald von Compiègne endeten. Am 28. Juni 1919 mußte die deutsche Regierung einen bedingungslosen Friedensvertrag unterzeichnen. Der erste Weltkrieg war zu Ende. Er hinterließ ein wirtschaftliches Chaos mit 7,9 Millionen Toten und 19,5 Millionen Verwundeten.

 

Auch unser Dorf wurde durch die langen Kriegsereignisse in einem nie gekannten Maße getroffen. Es gab kaum eine Familie, die nicht einen Toten oder Verwundeten zu beklagen hatte. So kehrten allein von den in den Krieg gezogenen Soldaten 36 nicht mehr zurück. Sie mußten ihr junges Leben für einen sinnlosen Krieg lassen.

Es bedarf keiner näheren Erläuterung, daß in den Kriegsjahren keine Schützenfeste stattfanden und die Tätigkeit der Bruderschaft sich auf unbedingt notwendige Aktivitäten beschränkte, die für die Jahre 1914 bis 1919 mit Ausgaben von 338,12 RM vermerkt sind.

 

War die Sorge um das Leben unserer Dorfbewohner mit Unterzeichnung der Kapitulation nicht mehr vorhanden, so litten sie jedoch in den Folgejahren durch die unmittelbaren Folgen des verlorenen Krieges. Zwangsverwaltung, Rationierung, Arbeitslosigkeit und Einschränkung vieler persönlicher Freiheiten prägten das tägliche Leben; die wirtschaftliche Not war groß.

 

Im Dezember 1918 rückte die englische Besatzung in den Kreis Düren ein. Vettweiß wurde von bespannten Einheiten belegt, die eine Vielzahl von Gebäuden zur Unterbringung von Soldaten und Pferden beschlagnahmten. Dabei kam es zu vielen Zwangsmaßnahmen gegenüber der Bevölkerung.

 

Im November 1919 zogen die Engländer ab und es folgte französische Besatzung, deren letzte Einheiten den Kreis Düren erst im November 1929 verließen. Auch diese Zeit war von wirtschaftlicher Not geprägt. Da Deutschland die auferlegten Reparationen kaum fristgerecht erfüllen konnte, kam es zu vielfachen Beschlagnahmungen öffentlicher Einrichtungen durch die französische Armee sowie zur Besetzung des Ruhrgebietes.

 

Die aus den Wahlen des Jahres 1919 hervorgegangene Weimarer Republik hatte ein schweres Erbe übernommen. Im Inneren hatte die Regierung gegen Aufstände von „Links“ und „Rechts“ zu kämpfen, während die äußeren Schwierigkeiten durch die Forderungen von Versailles geprägt waren. Auch Vettweiß wurde durch die allgemeinen Wirren immer wieder berührt.

 

Beispielhaft sei folgendes festgehalten.

 

Am 22. Oktober 1923 riefen in Düren unter dem Schutz der französischen Besatzung die Separatisten die „Rheinische Republik“ aus. Sie bestimmten weitgehend das öffentliche Leben und versuchten rücksichtslos ihre vermeintlichen Rechte durchzusetzen. So erschien ein Stoßtrupp Separatisten in Vettweiß und entwaffnete den „Polizei Betriebs Assistenten“ Josef Junkersdorf, indem sie einen Revolver mit Reservemagazin, Patronen und Futeral sowie einen Säbel mit Leibriemen und Säbelquaste requirierten. Der Schaden von 93 RM wurde Herrn Junkersdorf später durch den Landrat erstattet.

 

Trotz des Krieges und seiner Entbehrungen bestand unter den Schützenbrüdern bald das dringende Bedürfnis, die Schützenfeste in der althergebrachten Form wieder aufleben zu lassen. Der Drang der Schützen-brüder und der gesamten Dorfgemein-schaft nach ungezwungenem Vergnügen war verständlicherweise groß.

 

Bereits im Jahre 1919 wurde ein Schützenkönig gekürt und wegen der auferlegten Beschränkungen durch die Besatzungsmächte ein bescheidenes Schützenfest gefeiert.

 

Das erste größere Schützenfest mit Vogelschuß, Zelt und Tanzver-anstaltung fand im Jahre 1920 statt. Dieses Fest konnte allerdings nur unter bestimmten Auflagen stattfinden, an die man sich offensichtlich nicht exakt gehalten hatte, denn es wurde eine „Polizeiverwarnung“ von RM 5 verhängt.

 

Die Schützenfeste der Jahre 1920 und 1921 standen bereits ganz im Zeichen der Inflation. Die Belastungen des Staates wurden dadurch getilgt, indem die Reichsbank ständig neues Geld druckte, das längst keine Deckung mehr besaß. Insofern ist es nicht verwunderlich, daß die Einnahmen- und Ausgabenrechnungen dieser Jahre für die damalige Zeit unvorstellbar hohe Einzelposten enthalten. Am 27.08.1922 verfügte die Bruderschaft über einen Kassenbestand von 6.155,17 wertlosen Reichsmark.

 

Der Verfall des Geldes und die Flucht in die Sachwerte zeigten sich auch darin, daß anläßlich des Schützenfestes 1922 in der Gastwirtschaft „Zur Krone“ (Wilhelm Christoffels) ein Preiskegeln stattfand, wobei der erste Preis „1.000 M.K.„ betrug und als drei weitere Preise Fahrradmäntel und Schläuche ausgekegelt wurden.

 

Das Jahr 1923 war geprägt durch eine galoppierende Inflation. Die Goldmark von 1914 entsprach inzwischen 1 Billion Reichsmark. Die Menschen lebten in ständiger Angst um ihren Lebensunterhalt. Der Tagesverdienst eines Facharbeiters reichte kaum aus, um ein Pfund billiger Magarine zu erwerben; die Sparer waren praktisch enteignet.

 

Die wirtschaftliche Not und die Sorge um das tägliche Brot waren so groß, daß im Jahre 1923 kein Schützenfest gefeiert werden konnte. Im Kassenbuch befinden sich für 1923 auch keinerlei Eintragungen.

 

Durch die Währungsreform des Jahres 1924 wurde die Reichsmark durch die Rentenmark abgelöst. Damit war die finanzielle Basis für das Abhalten eines Schützenfestes wieder gegebenen. Man konnte das Schützenfest in „althergebrachter Weise“ feiern und schloß, obwohl man zu Beginn des Jahres keinen Pfennig Geld in der Kasse hatte, mit einem beachtlichen Überschuß von 468,77 RM ab.

 

Im Jahre 1926 wurde das Schützenfest erstmals an beiden Pfingsttagen gefeiert. Die „St.Gereon Schützen-gesellschaft Vettweiß-Kettenheim“ feierte ihr 75jähriges Jubelfest, verbunden mit einer Fahnenweihe. Diese Fahne wurde für 580 RM von der Fahnenfabrik Bernhard Richter, Cöln, erworben. Gleichzeitig wurden 100 Schärpen, die von jedem Zugteilnehmer getragen wurden, zum Preis von insgesamt 121, 35 RM angeschafft.

 

In den Folgejahren lief das Schützenfest stets in folgender Weise ab. Es begann am Nachmittag des Pfingstsonntags mit Vogelschuß und Tanz auf dem Schießplatz. Pfingstmontag bildete dann den Höhepunkt mit einem gemeinsamen Gottesdienst, Festparade, Festzug durch den Ort zum Festplatz, Preis- und Königsvogelschuß, Einbringung des neuen Schützenkönigs und Königsball.

 

Das Schützenfest war jedoch nicht der einzige Höhepunkt in der Geschichte der Bruderschaft. Seit den 20er Jahren fühlte man sich auch dem überörtlichen Schützenwesen und dessen Aktivitäten eng verbunden. Die Bruderschaft war von Anfang an Mitglied des im Jahre 1921 gegründeten Kreisschützen-bundes. Die Teilnahme an dessen Festlichkeiten und Veranstaltungen war eine Selbstverständlichkeit.

 

Gleichfalls war die Bruderschaft Mitglied der im Jahre 1928 gegründeten „Erzbruderschaft vom heiligen Sebastianus“. Vorgenannte Bruder-schaft ist als Vorläufer des „Bund der Historischen Deutschen Schützen-bruderschaften e.V.“, Köln, anzusehen, bei dem wir unverändert Mitglied sind. Die Erzbruderschaft vom Heiligen Sebastianus wurde im Jahre 1938 zwangsweise aufgelöst; den Schützenbruderschaften wurde jede weitere Tätigkeit untersagt.

 

Die Zeit der Blüte unserer Bruderschaft sollte jedoch in den kommenden Jahren zu Ende gehen und letztlich zur vorläufigen „Auflösung“ der Bruderschaft führen. Mit der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 begann für das deutsche Volk die sogenannte Zeit der „nationalen Erhebung und Erneuerung“, die letztlich zum 2. Weltkrieg mit allen seinen schrecklichen Folgen führte. Selbst eine Pilgerfahrt nach Trier im September des Jahre 1933 konnte das Unheil nicht abwenden.

 

Obwohl die Schützenbruderschaft sich in den vergangenen Jahrzehnten immer aus sämtlichen staatlichen Feiern sowie dem politischen Geschehen heraus-gehalten hatte - man feierte weder den Sedantag, noch Kaisers Geburtstag, noch den Befreiungstag - konnte sie sich letztlich dem Einfluß der Nationalsozialisten nicht entziehen.

 

Bereits am 8. März 1933 wurden auf dem Bürgermeisteramt in Vettweiß die Hakenkreuzfahne und eine schwarz-weiß-rote Fahne gehißt. Im Monat Mai des gleichen Jahres begannen die Nationalsozialisten landesweit mit der Gleichschaltung sämtlicher Schützengesellschaften. Dies bedeutete, daß sich alle Bruderschaften den Ideen und Zielen der Nationalsozialisten unterzuordnen hatten. Es begannen eine Vielzahl von Schikanen, unter denen auch die Bruderschaft zu leiden hatte. Beispielhaft seien an dieser Stelle erwähnt: Meldepflicht von Versamm-lungen mit Angabe der Redner, Zwangsbeitritt zum Reichsbund für Leibesübungen, Verbot in Uniformen an Prozessionen teilzunehmen, Verbot des gemeinsamen Kirchgangs sowie das erzwungene Anbringen von Haken-kreuzwimpeln an den Schützenfahnen. Die Einsichtnahme in das Kassenbuch zeigt, daß die Bruderschaft auch viele zusätzliche finanzielle Belastungen tragen mußte. Ab dem Jahre 1933 mußte der Westdeutsche Beobachter, das Amtliche Organ der NSDAP und sämtlicher Behörden, bezogen werden. Die Bruderschaft zahlte in den Fonds für nationale Arbeit, an den Vertrauensmann des Reichssport-führers, an die NS-Wohlfahrt, an das Winterhilfswerk (WHW) für ein Opferschießen und für die Teilnahme am Kreisparteitag, um einige der Zahlungen zu nennen. Die Einflußnahme der Nationalsozialisten wurde immer stärker und ein Leben der Bruderschaft im ursprünglichen Sinne war nicht mehr möglich. Im Jahre 1938 wurde das Feiern von Schützenfesten sowie das Auftreten der Schützen in der Öffentlichkeit gänzlich verboten. Der Schützenkönig wurde in diesem Jahre gewählt.

 

Man stand vor der schwierigen Entscheidung, wie es nun weitergehen sollte. In Anbetracht der Gesamt-situation beschloß man, die Bruder-schaft zu liquidieren und die vorhandenen Barmittel im Rahmen einer Rheintour, die am 18. Juni 1938 stattfand, aufzubrauchen. Damit war die Geschichte unserer Bruderschaft, die im Jahre 1939 ihr 90jähriges Bestehen hätte feiern können, unterbrochen.

 

Sicherlich ahnten manche Schützen-brüder, daß dem Dorf und seinen Bewohnern schlimme Zeiten bevor-standen, aber man konnte und wollte es wahrscheinlich auch nicht wahrhaben.

 

Von den schrecklichen Ereignissen wurden zuerst die jüdischen Mitbürger betroffen. Seit dem Jahre 1791 waren Juden in Vettweiß ansässig; im Jahre 1933 bestand die jüdische Gemeinde, es handelte sich um eine Filialgemeinde der Synagogengemeinde Düren, aus 31 Mitgliedern. In der sogenannten „Kristallnacht“ am 9. November 1938 wurde die Synagoge von SA-Leuten zerstört. Die Juden wurden beträchtlichen Schikanen ausgesetzt. Diejenigen, die sich nicht mehr ins Ausland absetzen konnten, wurden deportiert. Es handelte sich um 24 Personen; niemand kehrte mehr zurück.

 

Am 1. September 1939 überschritten deutsche Truppen die Grenze Polens. Damit hatte der 2. Weltkrieg begonnen, der den 1. Weltkrieg an Menschen- und Materialverlusten wie an Leid und Elend noch weit übertreffen sollte. Nach Anfangserfolgen endete dieser Eroberungskrieg am 7./9. Mai 1945 mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Damit ging ein Krieg zu Ende, dem 55 Millionen Menschen zum Opfer fielen. In Deutschland starben durch die Kriegsereignisse 5,25 Millionen Menschen, davon 500.000 Zivilisten. Wie in Vettweiß, gab es in Europa kaum eine Familie, die nicht Gefallene zu beklagen hatte, kaum eine Gemeinde in der nicht Häuser und Wohnungen zerstört wurden und kaum eine Region, die nicht großes Flüchtlingsleid erleben mußte.

 

Auch die Gemeinde Vettweiß wurde durch die Kriegsereignisse hart betroffen. Sie hatte die unvorstellbare Zahl von 91 Gefallenen, Vermißten und Verstorbenen zu beklagen. Außerdem führten die allierten Luftstreitkräfte am 30.11.1944 einen Luftangriff auf Vettweiß aus, dem 38 Dorfbewohner, 5 zwangsverschleppte Ukrainerinnen und 26 Soldaten zum Opfer fielen.

 

Der Angriff wurde von der „9th Bombardement Division“ mit B-26 und A-20 Bombern ausgeführt. Viele Häuser waren zerstört oder unbewohnbar. Die Bevölkerung wurde überwiegend nach Thüringen und in den Siegkreis zwangsevakuiert.

 

Bis Ende Februar hatten die wenigen noch verbliebenen Dorfbewohner unter Tiefflieger- sowie Artilleriebeschuß zu leiden. Nachdem die 353. Infanterie-Division der Übermacht der Amerikaner nicht mehr standhalten konnte und sich zurückzog, besetzten Teile des US-Infanterie-Regiments 16 am 27. Februar 1945 den Ort.

 

Sie fanden ein nahezu völlig zerstörtes Dorf mit nur wenigen Einwohnern, die überwiegend in einem von deutschen Pionieren gebauten Stollen überlebten.

 

Die Pfarrkirche St. Gereon war beschädigt, jedoch in einem Zustand, der eine Restaurierung ermöglicht hätte. Der Kirchturm wurde von amerikanischen Soldaten in Brand gesetzt und gesprengt. Das vorhandene Material wurde von der amerikanischen Luftwaffe zum Bau einer befestigten Versorgungsstraße, vielen noch als Flugplatzweg bekannt, im Dreieck Vettweiß-Kelz-Gladbach verwendet. Hier bauten die Amerikaner einen frontnahen Feldflugplatz (Advance Landing Ground), der jedoch nur sehr kurze Zeit belegt wurde. Die 48. Fighter Group mit leichten Jagdbombern (P-47 Thunderbolt) bezog den Flugplatz am 26. März 1945; sie wurde am 17. April 1945 nach Kassel verlegt. Die 404. Fighter Group mit ihren P-38 Lightnings landete am 30.03.1945, wurde aber bereits am 12.04.1945 nach Fritzlar verlegt.

 

Als kleine Wiedergutmachung für den Abbruch der Kirche erhielt die Pfarrgemeinde eine amerikanische Mannschaftsbaracke, die unter tatkräf-tiger Mithilfe der Schützenbrüder auf dem Flughafengelände abgebaut und auf dem Marktplatz als Notkirche aufgebaut wurde.

 

Allmählich kehrten die geflüchteten Dorfbewohner aus der Fremde und die Soldaten aus Krieg und Gefangenschaft zurück. Unter schwierigsten wirtschaft-lichen Bedingungen begann der Wiederaufbau. Jeder war mit seinen Problemen so beschäftigt, daß die Zeit für eine Wiederbelebung der Bruderschaft noch nicht gekommen war. Dies sollte erst im Jahre 1948 geschehen.

 

 

Der Neubeginn im Jahre 1948

 

 

Der Neubeginn unserer Bruderschaft ist in engem Zusammenhang mit der Währungsreform zu sehen. Durch die Währungsreform vom 21. Juni 1948 wurde die Reichsmark im Verhältnis 10:1 abgewertet und durch die Deutsche Mark ersetzt. Sie wurde zur Initialzündung für die Aufwärts-entwicklung unserer Wirtschaft. Es lohnte sich wieder zu arbeiten und man gewann auch wieder Freude am Feiern.

 

Mitte Juni 1948 trafen sich die Schützenbrüder zu ihrer ersten Versammlung. Sie wählten einen neuen Vorstand mit Wilhelm Junkersdorf als erstem Brudermeister. Dieser stellte am 30.06.1948 den Antrag an die Militärregierung, die Tätigkeit als Bruderschaft wieder aufnehmen zu dürfen.

 

Die vorläufige Genehmigung hierzu wurde durch den britischen Residenzoffizier am 19.07.1948 erteilt. Ein Schützenfest wurde in diesem Jahre nicht gefeiert. Man hielt jedoch am 17. Oktober eine Tanzveranstaltung im Saale Hülden ab. Zur allgemeinen Belustigung wurde ein Komiker engagiert. Das Fest mußte bereits um 23:00 Uhr abgebrochen werden, da die Stromversorgung ausfiel.

 

Das erste offizielle Schützenfest mit Vogelschuß, Festzug sowie Tanz-veranstaltungen im Festzelt wurde im Jahre 1949 gefeiert. Stolz trug man im Festzug bereits eine neue Fahne die im April für 815 DM erworben und ausschließlich durch Spenden finanziert wurde. Die Bruderschaft hatte nur noch 74 Mitglieder. Mitgliederbeiträge wurden nicht erhoben; neue Mitglieder hatten lediglich eine Aufnahmegebühr von 1,50 DM zu zahlen. Erstmals ab dem Jahre 1962 wurde ein Mitgliederbeitrag von jährlich 5 DM eingeführt.

 

Zu Pfingsten des Jahres 1950 durfte die Bruderschaft das Bundesfest der Kreis- Dürener-Schützen ausrichten. Es war offensichtlich das bisher größte Fest, das je in unserem Dorfe stattgefunden hat. Nachdem morgens im Rohbau der neuen Kirche ein Feldgottesdienst gefeiert wurde, gruppierten sich nachmittags 22 Bruderschaften zu einem Festzug durch das mit Girlanden und frischem Grün geschmückte Dorf zum Festplatz. Ein riesiges Festzelt mit einer „schmissigen Blaskapelle“ bot die notwendigen Voraussetzungen für frohe Geselligkeit.

 

In den Folgejahren wurden bis zum heutigen Tage regelmäßig an Pfingsten Schützenfeste gefeiert. Es waren nicht im jeden Jahre Höhepunkte zu verzeichnen, jedoch waren sämtliche Feste durch Harmonie und brüderliche Freude am Feiern geprägt.

 

Unsere Bruderschaft ist eine alte Bruderschaft; sie kommt von weit her, aber sie ist nicht von gestern. Insofern liegt es auf der Hand, daß sie auch einer stetigen Anpassung unterworfen ist, ohne jedoch ihre Grundprinzipien aufzugeben.

 

Das äußere Erscheinungsbild der Bruderschaft hat sich im Laufe der Jahre verändert. In den Vorkriegsjahren trugen lediglich die Berittenen und die Fähnriche Uniformen, der Vorstand Schärpe und Zylinder. Seit dem Jahre 1952 trägt das Offizierskorps Uniformen. Im Jahre 1983 wurde der allgemeine Schützenrock eingeführt, der von jedem Schützenbruder getragen werden kann. Er wird vielfach unzutreffenderweise als Vorstandsrock bezeichnet.

 

Der Schützenzug war in früheren Jahren durch Berittene sowie durch Pferdekutschen geprägt. Mit voll-zogener Motorisierung der Landwirt-schaft und dem damit verbundenen Verkauf der Pferde gab es keine Berittenen mehr. Auf die Königs-kutsche wurde in den letzten Jahren aus finanziellen Gründen verzichtet. Es besteht kein Zweifel, daß der Schützenzug durch den Wegfall der Pferde an Attraktivität verloren hat.

 

Gleichfalls gehörte in früheren Jahren der Schellenbaum zum Schützenzug. Der Schellenbaum, ein dekoratives und sehr altes Rasselinstrument, gehörte einst zu jeder Militärkapelle. Es wäre sicherlich eine Bereicherung des Schützenzuges, wenn der vorhandene Schellenbaum wieder mitgeführt würde.

 

Ein schöner Brauch war es auch, den frisch gekürten Schützenkönig mit Musik in sein Haus zu begleiten und bei Einbruch der Dämmerung mit Feuerwerk und Illuminationen zum Königsball abzuholen. Es war eine Zeremonie, die bei allen Dorfbewohnern, besonders bei den Älteren, immer großen Anklang fand. Feuerwerk und Fackeln waren aus feuerpolizeilichen Gründen jedoch nicht mehr statthaft.

 

Die Fahnen sind für unsere Bruderschaft von großer Bedeutung. Sie sind nicht nur dekorativ, sondern auch äußeres Zeichen des Bruderschafts-gedankens.

 

Die älteste Fahne mit einem Bild des heiligen Gereon datiert aus dem Jahre 1879. Leider ist sie nur noch ein Fragment, dessen Reparatur nicht mehr möglich ist. Am Pfingsmontag des Jahres 1955 wurde durch den Kreisbundesmeister Dr. Leuken eine neue Fahne geweiht. Sie war im gleichen Jahr durch den Vorstand gestiftet worden. Eine weitere Fahne wurde im Jahre 1964 durch den Schützenmeister Johann Malzbenden gestiftet, als dieser zum dritten Mal die Königswürde errang.

 

Das Schützenfest des Jahres 1967 wurde sehr verhalten gefeiert. Brudermeister Johann Malzbenden war im Alter von 77 Jahre plötzlich verstorben; seine Aufgaben wurden durch den stellvertretenden Brudermeister Franz Ink wahrge-nommen. Johann Malzbenden wurde am Donnerstag nach Pfingsten zu Grabe getragen.

 

Im Jahre 1974 feierte unsere Bruderschaft im Rahmen des Bezirksschützenfestes des Bezirksver-bandes Düren-Ost ihr 125jähriges Jubiläum. In der Hauptschule fand ein feierlicher Kommers statt, der vom Tambourcoups, dem Männergesang-verein sowie dem Frauenchor feierlich umrahmt wurde.

 

Das Schützenfest des Jahres 1977 wurde überschattet durch den plötzlichen Tod des Brudermeisters Franz Ink, der am Freitag vor Pfingsten im Alter von erst 51 Jahren plötzlich verstarb. Seine Aufgaben werden seitdem von Brudermeister Gabriel Graaff wahrgenommen, der auch im Jahre 1978 die Königswürde errang.

 

Vom Schützenfest des Jahres 1981 ist zu berichten, daß der Königsvogel einfach nicht fallen wollte. Er hielt den Schüssen aus der Donnerbüchse stand, so daß er zweimal heruntergeholt und „gelockert“ werden mußte, ehe nach zwei weiteren Schüssen der Rest des Vogels im Gras lag.

 

Jedoch war eben nicht jeder Vogel so standhaft. Im Jahre 1990 fiel der Vogel bereits mit dem dritten Schuß. Vielleicht gelingt es auch einmal, daß der Vogel bereits mit dem ersten Schuß fällt. Dann wäre unser Präses Schützenkönig.

 

Ab dem Jahre 1991 wird am Pfingstmontag im Festzelt ein feierlicher Gottesdienst gefeiert. Zu dieser Messe, die anfangs von der Kapelle Peter Pesch, heute vom TC Wyss würdevoll musikalisch begleitet wird, kommen neben den Jugendlichen vor allem viele ältere Menschen, die ansonsten kaum noch den Schützenplatz betreten würden. Inzwischen ist der Gottesdienst im Festzelt fester Bestandteil unserer Schützenfeste geworden.

 

Ein enges Verhältnis besteht zu den benachbarten Bruderschaften St. Jakobus in Jakobwüllesheim und St. Michael in Kelz. Sie nehmen regelmäßig mit großen Abordnungen und eigener Musik an unseren Schützenfesten teil. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß unsere Bruderschaft auch an den Schützenfesten in Kelz und Jakobwüllesheim teilnimmt und dort stets gern gesehener Gast ist.

 

Besondere Bedeutung wird dem Gedenken der verstorbenen Schützen-brüder beigemessen. Seit Gründung unserer Bruderschaft werden im jeden Jahre mehrere Messen für die Lebenden und Verstorbenen unserer Bruderschaft gefeiert. Tradition hat ebenfalls der Gang zum Friedhof mit feierlicher Kranzniederlegung. Bis 1969 fand diese Zeremonie an den Kriegergräbern des 1. Weltkrieges statt. 1970 wurde unter großer Anteilnahme der Bevölkerung das Ehrenmal eingeweiht. Seither wird an dieser Stelle die Kranzniederlegung vorgenommen.

 

Am Tod und Begräbnis eines Schützenbruders nimmt die Bruder-schaft stets großen Anteil. Man ehrt den Verstorbenen durch Teilnahme der Schützenbrüder, meist in Uniform, am Requiem und am Begräbnis. Die Offiziere tragen eine Schützenfahne mit Trauerflor und der Brudermeister legt am offenen Grabe einen Kranz nieder. Vielfach spielte in früheren Jahren eine eigens bestellte Blaskapelle Trauer-musik. Aus organisatorischen Gründen wird dies heute nicht mehr praktiziert.

 

Der Gereonstag im Oktober wird in seiner jetzigen Form seit dem Jahre 1976 gefeiert. Er ist für die Bruderschaft ein hoher Feiertag. Das Fest beginnt mit einem feierlichen Hochamt in der Pfarrkirche und anschließendem Zug zur Schützenhalle. Dort wird dann der sogenannte Familientag gefeiert. Es erfolgen regelmäßig die Ehrungen verdienter Schützenbrüder und eine kurze Ansprache unseres Präses. Zu Mittag gibt es dann die traditionelle Erbsensuppe, ein Essen, welches von den Schützenbrüdern seit dem Jahre 1953 abgehalten wird. Neben den geistigen Getränken werden Kaffee und Kuchen, von unseren Schützen-schwestern liebevoll gebacken, angeboten. Dann folgt die traditionelle Verlosung mit einer Vielzahl von begehrenswerten Preisen. Nicht zu vergessen ist die Kappelle Jupp Garding, die dem gesamten Tag den musikalischen Rahmen gibt.

 

Am Fronleichnamstage findet jeweils die Fronleichnamsprozession durch den Ort statt. Es ist seit jeher üblich, daß die Schützenbruderschaft in Uniform an der Prozession teilnimmt, um hierdurch die Verbundenheit zu unserer Pfarre auch nach außen hin zu dokumentieren. Danach erfolgt in der Regel eine Mitgliederversammlung, die sich oft bis in den Abend hinein ausdehnt.

 

Bei der an der Aachen-Frankfurter-Heerstraße heute einsam gelegenen Dreifaltigkeitskapelle handelt es sich um eines der ältesten Gebäude unserer Gemeinde. Die Bruderschaft fühlt sich dieser Kapelle eng verbunden und verpflichtet.

 

In jedem Jahre am Dreifaltigkeits-sonntag erwacht das „Kapellche“ zum Leben. Das von Professor Salentin gemalte Altarbild der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, welches das Jahr über aus Sicherheitsgründen im Pfarrhaus verwahrt wird, wird an diesem Tage ausgestellt. Aus Vettweiß und Kelz ziehen Prozessionen, Fußgruppen und Einzelpilger zur Kapelle, um dort zu beten. Ein gemeinsamer Gottesdienst beschließt den Tag.

 

An der Prozession zur Dreifaltig-keitskapelle nimmt die Schützen-bruderschaft traditionell teil, allerdings nicht in Uniform. Im Jahre 1980 hat die Bruderschaft die Dreihundertjahrfeier der Dreifaltigkeitskapelle ausgerichtet. Es war ein einmaliges Fest mit großer Prozession zur Kapelle, feierlichem Gottesdienst und anschließendem gemütlichen Beisammensein. Obwohl der Himmel Freudentränen weinte, konnte dies dem Fest keinen Abbruch tun. Der Überschuß des Festes wurde an Kardinal Maurer nach Bolivien überwiesen.

 

Bis zum Jahre 1978 war unsere Bruderschaft eine reine Männer-gesellschaft. Die Frauen arbeiteten zwar im Hintergrund, eine offizielle Mitgliedschaft war ihnen aber verwehrt. Am 17. Februar 1978 beschloß die Generalversammlung, daß auch Frauen die Mitgliedschaft erwerben können. Wir sehen das als einen wesentlichen Schritt in die richtige Richtung und als eine Bereicherung für das Leben unserer Bruderschaft an. Die Bruderschaft wird nun von den Schützenbrüdern und Schützen-schwestern gemeinsam getragen. Die Schützenschwestern sind ordentliche Mitglieder der Bruderschaft; sie haben die gleichen Rechte und Pflichten wie die Schützenbrüder. Die bisherige Praxis zeigt jedoch, daß unsere Schützenschwestern ihre Tätigkeit vornehmlich in der „zweiten Linie“ ausüben. Sicherlich kommt einmal der Tag, an dem eine Schützenschwester die Königswürde erringt. Gleichfalls ist nicht auszuschließen, daß Funktionen in der Bruderschaft, die bisher nur von Männern wahrgenommen, einmal von Frauen ausgeübt werden. Was spricht dagegen? Nichts!

 

Unsere Bruderschaft war in ihrer Geschichte insofern immer eine vagabundierende Gesellschaft, als sie keinen festen Schützenplatz hatte. Man mußte den Schützenplatz aus vielfachen Gründen immer wieder wechseln. Eine vorläufige Bleibe hatte man schließlich auf dem Sportplatz gefunden. Mit dem Bau des neuen Sportplatzes war an dieser Stelle ein Schützenfest nicht mehr möglich; die Suche nach einem neuen Platz begann. Man war praktisch Vertriebener im eigenen Dorfe.

 

Einvernehmlich mit der Gemeindeverwaltung wurde ein geeigneter Schützenplatz gesucht und auch gefunden. Nach langwierigen Verhandlungen konnten wir am 12. Oktober 1971 einen Pachtvertrag mit einer Laufzeit von 99 Jahren über den jetzigen Schützenplatz abschließen.

 

Jetzt galt es, den Platz auch für unsere Zwecke nutzbar zu machen. Unter großen finanziellen Belastungen wurden die notwendigen Versorgungs-leitungen wie Strom und Wasser gelegt. Endlich konnte das Schützenfest jetzt auf eigenem Platz gefeiert werden.

 

Nachdem wir nun über einen eigenen Schützenplatz verfügten, reifte auch zwangsläufig der Gedanke, eine eigene Schützenhalle zu bauen. Mit dieser Halle wollte man die Jugendlichen stärker an die Bruderschaft binden, den Schießsport fördern und allen Schützen und den Dorfbewohnern eine Begegnungsstätte bieten.

 

Bereits am 5. November 1971 wurde der Neubau einer Schützenhalle beschlossen. Dieser Beschluß war bei einer veranschlagten Rohbausumme von 90.000 DM und einem vorhandenen Kassenbestand von 13.681,36 DM wahrlich ein mutiges Unterfangen. Am 5. Juli 1974 wurde der Bauantrag genehmigt, am 21. September 1974 mit dem Bau begonnen und am 8. März 1975 konnte bereits das Richtfest gefeiert werden.

 

Am 1. Mai 1976 wurde die neue Schützenhalle feierlich eingeweiht und zur Nutzung übergeben. Damit war für die Bruderschaft ein lang gehegter Traum in Erfüllung gegangen. Festzuhalten ist, daß das gesamte Projekt überwiegend durch Spenden der Schützenbrüder sowie durch deren tatkräftige und unentgeltliche Hilfe bei den Bauarbeiten realisiert wurde.

 

Mit der Schützenhalle, die von unseren ehrenamtlichen Schützenbrüdern liebevoll gepflegt und in ihrer Einrichtung laufend verbessert wird, verfügen wir über eine Stätte der Begegnung, auf die wir stolz sein können. Sie wird von den Schützenbrüdern aller Altersstufen gut angenommen und auch von vielen Familien und sonstigen Gruppen zum Feiern und Tagen gerne genutzt.

 

Seit dem 11. Juli 1968 ist die Bruderschaft unter der Nr. VR 654 im Vereinsregister des Amtsgerichtes Düren eingetragen. Sie ist ein rechtsfähiger Verein und trägt den Namen

 

St. Gereon-Schützenbruderschaft Vettweiß-Kettenheim e.V.

 

Wesen und Aufgaben der Bruderschaft sind in § 2 der Satzung wie folgt festgelegt:

1.           Bekenntnis des Glaubens

2.           Schutz der Sitte

3.           Liebe zur Heimat

 

Daneben sind in der Satzung detaillierte verbindliche Regelungen für folgende Bereiche enthalten:

1.           Festveranstaltungen

2.           Kirchliche Veranstaltungen

3.           Begräbnisordnung

4.           Schützenbrauchtum

5.           Sportschießen

6.           Kunst und Kultur

7.           Soziale Fürsorge

 

Die Bruderschaft war in den vergangenen 150 Jahren stets bestrebt, den in der Satzung festgelegten Aufgaben zu entsprechen. Möge es gelingen, auch in Zukunft diesen hohen Ansprüchen zu genügen.

 

Dr. Hermann Courth

Gabriel Graaff