Das Schützensilber

 

Die Geschichte der St. Gereon - Schützenbruderschaft Vettweiß-Kettenheim e.V. spiegelt sich auch in dem noch vorhandenen Schützensilber wieder. Es ist für die Erforschung unserer Bruderschaft insofern unersetzlich, als sämtliche älteren handschriftlichen Aufzeichnungen oder sonstigen Dokumente verlorengegangen sind.

 

Das Schützensilber umfaßt 97 Plaketten mit einem beachtlichen Gesamtgewicht von 7,5 kg. Da der jeweilige Schützenkönig das Tragen des Silbers nicht nur als eine Ehre, sondern auch als eine drückende Last empfinden würde, hat man das Schützensilber sinnvoll auf zwei Ketten verteilt. Die erste Kette von 4,5 kg enthält neben der Gründungsplakette vornehmlich die Schilde jüngeren Datums, während die zweite Kette von 3,0 kg überwiegend aus dem sogenannten Altsilber besteht.

 

Die einzelnen Plaketten, vielfach auch Schilde genannt, sind entsprechend der Zeit oder dem persönlichen Geschmack des Königs unterschiedlich gestaltet. So handelt es sich bei den ältesten Plaketten um einfache Königsschilde, während danach auch Ordenssterne und Rundscheiben beigefügt wurden. In neuerer Zeit überwiegen reich verzierte Plaketten in Kartuschenform.

 

Wer den mächtigen, aus Holz geformten Königsvogel herunterholte, wurde Schützenkönig und übernahm das Recht und gleichzeitig auch die Verpflichtung, bei offiziellen Anlässen die Königskette zu tragen.

 

Seit Bestehen der Bruderschaft war es guter Brauch, daß der König, in Erinnerung an die errungene Königswürde, der Bruderschaft eine Plakette für die Königskette schenkte.

 

Die vorhandenen Plaketten sind zum Teil mit aufschlussreichen, persönlichen Daten, Marken oder religiösen Zeichen versehen. Es würde zu weit führen, sämtliche Plaketten im Einzelnen an dieser Stelle zu erläutern. Im Folgenden werden deshalb lediglich einige für die Bruderschaft typische Plaketten beispielhaft erwähnt.

 

Die Plakette des ersten Schützenfestes im Jahre 1849, unseres Gründungs-datums, trägt das Bild des heiligen Gereon. Er ist in voller Größe als römischer Legionär mit Helm und Lanze abgebildet. In der Hand hält er einen Wimpel mit dem Kreuz. Diese Abbildung betont, daß von Anfang an eine sehr enge Verbindung zwischen der Pfarre St. Gereon und der Schützenbruderschaft bestanden hat. Gleichen Inhalts sind auch die Plaketten der Jahre 1981 und 1993.

 

Auf der Plakette des Jahres 1853 sind zwei Blasinstrumente sowie eine Geige abgebildet. Dies läßt darauf schließen, daß der damalige König ein besonderes Verhältnis zur Musik hatte, vielleicht sogar Leiter einer Musikkapelle in Vettweiß war.

 

Der Schützenkönig des Jahres 1856 legt Wert darauf, daß er „An der Kappelle„ wohnt. Dieser Vermerk ruft uns die an der Dreifaltigkeitskapelle vorbeiführen-de Aachen-Frankfurter Heerstraße in Erinnerung, die mit Eröffnung der Eisenbahnstrecke Euskirchen-Düren am 06.10.1864 völlig an Bedeutung verlor und im ersten Flurbereinigungs-verfahren zu Ende des 19. Jahrhunderts weitgehend eingeebnet wurde.

 

Auf einer Plakette (1858) ist ein Hirschkopf mit Geweih, Jagdhorn, Gewehr und Säbel eingraviert. Sicherlich wollte der König damit dokumentieren, daß er dem Waidwerk zugetan war.

 

Die Plakette des Jahres 1872 trägt einen Hirschkopf mit Geweih und Hubertuskreuz. Hier ist zu vermuten, daß der Spender in besonderem Maße den heiligen Hubertus verehrte.

 

Ihre besondere Verbindung zum Schützenwesen an sich dokumentieren mehrere Schilde der zwanziger Jahre. Auf ihnen werden das St. Sebastianus-Ehrenkreuz und allgemeine Schützen-embleme, wie Ehrenscheiben, Fahnen und Gewehre dargestellt.

 

Der in den Farben blau, grün und gold gefertigte Orden des Jahres 1922, der einzige farbige Orden der Kette, stellt in seiner Farbenvielfalt sicherlich eine Bereicherung der Schützenkette dar.

 

Der Schützenkönig des Jahres 1928 zeigt seine besondere Verbindung zur Landwirtschaft dadurch, daß seine Plakette von einem stilisierten Pferdekummet eingerahmt ist.

 

Auf den Plaketten der Jahre 1936 und 1955 finden wir jeweils eine Königskrone, die von zwei Adlern getragen wird. Dabei handelt es sich um ein Emblem, welches zur damaligen Zeit vielfach verwendet wurde.

 

Basierend auf den fruchtbaren Äckern der Zülpicher Börde hat die Landwirtschaft seit jeher in der Gemeinde Vettweiß eine große Bedeutung. Dies zeigt sich auch darin, daß allein auf sechs Königsplaketten landwirtschaftliche Symbole festgehalten werden. So finden wir dort unter anderem den pflügenden Bauern, den Sämann, die Darstellung der Getreideernte, Getreidegarben, Ähren und den Brotkorb.

 

Im Jahre 1975 wurde unsere Schützenhalle eingeweiht und zur Nutzung übergeben. Dies war für den Schützenkönig des Jahres 1978 ein guter Anlaß, unser eigenes Schützenheim auf der Königsplakette zu verewigen.

 

In Verantwortung vor der Geschichte unseres Dorfes hatte die Bruderschaft immer ein besonderes Verhältnis zur Dreifaltigkeitskapelle. Aus diesem Grunde ist auf der Plakette des Jahres 1980 die Dreifaltigkeitskapelle mit den zwei typischen Pappeln und einem Hinweis auf deren dreihundertjähriges Jubiläum vermerkt.

 

Die Schützenkönige der Jahre 1984, 1996 und 1997 üben alte Handwerksberufe aus. Auf allen Plaketten wurden in sinnvoller Weise die jeweils typischen Zunftwappen bzw. Handwerkerinsignien vermerkt. So finden wir dort die Grundwerkzeuge des Schreiners - Winkelmaß, Zirkel und Hobel -, des Metzgers - Ochsenkopf mit zwei gekreuzten Beilen, dazu ein Metzger am Fleischbock - und des Schlossers. Letzterer zeigt zudem, daß er den Beruf des Landmaschinen-schlossers ausübt, indem er neben einem Schraubenschlüssel eine Getreidegarbe und zusätzlich einen Traktor abgebildet hat.

 

Auf der Plakette des Jahres 1988 befinden sich eine Postkutsche, eine Stimmgabel, eine Lyra sowie ein Ambo. Neben der berufsbezogenen Postkutsche bringt der König seine Verbundenheit zu mehreren Vereinen sowie zur Pfarre St. Gereon zum Ausdruck. Die Stimmgabel ist als Zeichen der Sangesfreude und der Mitgliedschaft beim Männergesangverein anzusehen; die Lyra zeigt die Verbindung zum TC Wyss. Der Ambo weist darauf hin, daß der König jahrelang als Lektor tätig war.

 

Die Schützenplakette der Jahre 1989 und 1998 ziert das Wappen der Gemeinde Vettweiß. Es zeigt die Gottesmutter im Strahlenkranz mit dem Jesuskind, darunter den Löwenschild des ehemaligen Landesherrn, des Herzogs von Jülich.

 

Der Beruf des Webers wurde in früheren Zeiten ausschließlich handwerklich ausgeübt. Mit der Erfindung des mechanischen Webstuhls war die industrielle Weberei geboren. Der Schützenkönig des Jahres 1990, von Beruf Weber, hat auf seiner Plakette das gewöhnliche Zunftwappen der Leineweberinnungen, drei in Triangelform dargestellte Weberschiffchen, angebracht.

 

Am 30. November 1944 erlitt Vettweiß durch alliierte Bomberverbände einen verheerenden Bombenangriff, der viele Opfer unter der Zivilbevölkerung forderte und manche Häuser zerstörte. Das alte Fachwerkhaus des Schützenkönigs des Jahres 1992 blieb erhalten. Es ist auf der Königsplakette abgebildet.

 

Zwischen der St. Jakobus - Schützenbruderschaft in Jakobwüllesheim besteht seit Jahren eine gute nachbarschaftliche Verbindung. Der Schützenkönig des Jahres 1994, wohnhaft in Jakobwüllesheim, hat dies durch die Darstellung der St. Jakobuskirche auf seiner Plakette zum Ausdruck gebracht.

 

Der Schützenschild des Jahres 1995 trägt das Wappen der Familie Geuenich. Es zeigt eine Linde, an die zwei kleine Schilder gelehnt sind, der rechte Schild trägt eine Muschel, der linke ein Kleeblatt. Auf dem Wappenhelm steht ein Lamm.

 

Neben den in den vorhergehenden Ausführungen gewonnenen Erkennt-nissen enthält das Schützensilber auch Notizen, die für die Betrachtung der Geschichte unserer Bruderschaft von Interesse und Bedeutung sind.

 

Seit dem Jahre 1954 werden die Ehefrauen der Schützenkönige fast lückenlos erwähnt. Hierdurch wird dokumentiert, daß die Schützenbruderschaft keine reine Männergesellschaft ist, sondern auch die Frauen an der Seite der Könige und als Schützenschwestern Rang und Namen haben.

 

Informativ sind auch Vermerke, daß man in Froitzheim, Kreuzau oder Kettenheim wohnt. Letzteres wurde mehrfach erwähnt. Dies ist sicherlich auch darauf zurückzuführen, daß Kettenheim in früheren Jahren als kleinste Jülicher Herrlichkeit eine selbständige Gemeinde war und man aufgrund dessen besonderen Wert darauf legte, daß man nicht aus Vettweiß, sondern aus Kettenheim kam.

 

Erwähnenswert sind noch Daten, die für uns heute von informativen Wert sind, z.B. 25 Jahre Schützengeneral, Amt des Brudermeisters, 50 Jahre Mitgliedschaft des Vaters, Bundes-schützenkönig, 125. Jubelfest und Bezirksschützenkönig.

 

Die Schützenschilde wurden in verschiedenen Werkstätten gefertigt. Aus den noch vorhandenen Unterlagen ist ersichtlich, daß mehrere Plaketten aus der Werkstatt des in Vettweiß ansässigen Uhrmachermeisters Heinrich Sommer stammen. Einige Schützen-schilde sind insofern von Bedeutung, als sie in der Goldschmiedewerkstatt Arning in Düren hergestellt wurden. Ferdinand Arning, geboren am 15.10.1799 zu Borken, betrieb in Düren eine Goldschmiedewerkstatt, in der nicht nur Schützenschilde, sondern auch viele sakrale Gegenstände hergestellt wurden, die teilweise heute noch vorhanden sind.

 

Abschließend bleibt festzuhalten, daß der Wert unseres Schützensilbers nicht in erster Linie in seinem Materialwert zu sehen ist. Der Wert unserer Kette liegt vielmehr in ihrer volkskundlichen und kulturhistorischen Bedeutung. Sie ist ein unersetzliches Dokument der Geschichte unserer Bruderschaft. Wir alle sind somit gefordert, das Schützensilber als solches zu erhalten und weiterzuentwickeln.

 

Dr. Hermann Courth